the return of kampagnenkritik: lieber auftafeln als auftischen!

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Werbekritik. Ein Fass ohne Boden. Gegen eine nicht enden wollende Kette tumber Klischees anreden. „Das soll ja auch provozieren“. Wiederholt gegen eine mit Brennesseln verkleidete Wand rennen. Ja, man kann sich besseres vorstellen. Eine mehrstündige Autofahrt nach Essen zum Beispiel. Begleitet von einem Soundtrack aus Nickelback, Avril Lavigne und dem Didgeridoo-Orchester Sangerhausen.
Warum also reg ich mich eigentlich auf? Weil ich möchte. Gerade im Bereich zivilgesellschaftlicher Organisationen und anderer Institutionen, die sich im weitesten Sinne mit diesem Bereich befassen, übe ich lieber öffentlich Kritik, als nur einfach so wie ein Rohrspatz vor mich hin zu schimpfen.
Die Tafeln jedenfalls haben letztens in Zusammenarbeit mit Grabarz & Partner eine neue bundesweite Plakatkampagne ausgerollt. Mit kecken (!) Slogans, die ich an dieser Stelle gern kurz aufgreifen möchte.

2013-06-23-05.03.41

„Lieber Körbe verteilen als sie in der Bar kassieren!“

Bitte?! Die Tafeln – ein Sammelbecken für einsame Herzen, deren (mehr oder weniger) romantische Avancen regelmäßig scheitern? Ehrenamtliches Engagement, das neue „ich leg mir 100 Katzen zu, mit denen ich alt werde“?
Dürfen Menschen mit erfülltem Liebesleben oder jene, die auch so ganz glücklich sind, trotzdem mitmachen? Ich frag das für eine Freundin.
Natürlich kommen Freunde des gepflegt mittelmäßigen Wortwitzes an dieser Stelle auf ihre Kosten. Immerhin.

„Lieber Essen verteilen als Likes!“

Ja, der Slacktivismus. Wenn wir 50 Trilliarden Likes zusammen bekommen, bringen wir diesem kleinen Äffchen bei, wie er auf Kommando einen Pudelwelpen umarmt. Für den Weltfrieden! Nein, im Ernst, im Ansatz versteh ich das sogar. Und dass hier nicht berücksichtigt wird, dass Aktivismus im Netz eben auch sehr viel mit Gegenöffentlichkeiten zu tun hat, wenn man den Aspekt Facebook-Likes mal vernachlässigt, na gut, geschenkt. So viel Platz für Differenzierungen ist auf so einer Werbetafel ja auch wieder nicht.
Und trotzdem trägt digitaler Aktivismus – ob nun in Form von Likes, dem Teilen von Artikeln oder selbst verfassten Beiträgen – immer mindestens zur Verbreitung von Information und der Schaffung eines Bewusstseins für bestimmte Sachverhalte bei. So falsch kann das gar nicht sein. Selbstverständlich sind die Tafeln auf mehr als bloße digitale Solidaritätsbekundungen angewiesen, ohne Zweifel. Dennoch ist es mindestens schwierig, zu glauben, dass diese erhobener-Zeigefinger-Taktik Früchte trägt. Im blödesten Fall werden diejenigen, die sich online über soziales Engagement informieren und entsprechende Inhalte verbreiten, auf diese Weise noch entmutigt.

„Lieber Lebensmittel retten als den High Score!“

Diese Gamer! Nicht genug, dass sie ihr Adrenalinlevel mittels „Ballerspielen“ so weit nach oben peitschen, dass sie gelegentlich im sogenannten Real Life Menschen abknallen. Nein, sie haben auch überhaupt keine Zeit, ehrenamtliche Tätigkeiten auszuüben!

Ich hätte da auch noch den ein oder anderen Vorschlag:
Lieber gemeinsam in die Backröhre schauen als den Tatort!
Lieber das Mindesthaltbarkeitsdatum lesen als Thomas Mann!
Lieber Mehl mahlen als Malen nach Zahlen!

Okay, okay, ich übe noch, aber das Prinzip dürfte klar sein.

„Lieber satt machen als Sudoku Rätsel!“

Da steh ich jetzt aber mächtig gewaltig auf dem Schlauch. Kann mir jemand erklären, was da los ist? Ist das ein Haiku?
Läuft Sudoku inzwischen auch unter Vergnügungssucht? Diese Hedonisten schrecken aber auch vor nichts zurück. Nicht einmal vor Logiktraining.

 

 

An dieser Stelle sei auch unbedingt noch einmal auf die großartige Doku „White Charity“ (knappe 50 Minuten, vollständig auf Youtube einsehbar) hingewiesen. Dort werden stereotype Konstrukte des Schwarz- und Weißseins in NGO-Kampagnen auseinandergenommen.

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