Ein Beitrag beim Kraftfutterkaputtmutterfischmischwerk hat mich an die Kontraste-Ausgabe der vergangenen Woche erinnert:
In Bad Soden soll eine Unterkunft für Asylbewerber entstehen. Die Bewohner des Ortes (Tolstoi war da mal zur Kur und befand wohl, dass das Nest als einer der Schauplätze in „Anna Karenina“ ganz brauchbar sei, sonst gibt’s neben Sodener Weintagen und Weihnachtsmarkt nicht allzu viel Aufregendes zu berichten) zählen im Grunde die gleichen diffusen Ängste auf, denen man schon in den letzten Wochen in etlichen Beiträgen zur neuen Unterkunft für Asylbewerber in Hellersdorf begegnet ist (Kriminalität und so). Da wird deutlich, dass Repressalien gegenüber Asylbewerbern kein distinktives Merkmal ärmerer oder bildungsferner Bevölkerungsgruppen sind, mögen sie auch in der Art und Weise, wie diese artikuliert werden, von einander abweichen.
Einen klaren Unterschied gibt es aber doch:
Während in Hellersdorf oft von Asylbewerbern, denen von staatlicher Seite so viel mehr geboten würde als ihnen (Stichwort: „Sogar ein Bobbycar!“), die Rede ist, äußert einer der gut situierten Bad Sodener die Angst, die Flüchtlinge könnten ihrerseits nach Wohlstand streben.
Flüchtlingen soll geholfen werden, aber bitte woanders.
60 Asylbewerber an einem Ort seien zuviel, meinen einige Bad Sodener. Und man könne sich auch nicht darauf verlassen, dass das Versprechen, man würde dort bevorzugt Familien unterbringen, eingehalten würde. Asylbewerber sollten dort untergebracht werden, „wo das soziale Umfeld nicht so krass unterschiedlich ist“. Dass unter den Flüchtlingen auch Akademiker sind, spielt dabei keine Rolle: ihr Einkommen, das sich unter dem Hartz-IV-Regelsatz bewegt, qualifiziert sie nicht als Nachbarn.
Helfen sei okay und sicher auch notwendig. Gerne aber fernab des eigenen Alltags. Mit der Option aufs Verdrängen.
Eine Studie der Universität von Michigan hat erst kürzlich gezeigt, dass überdurchschnittlich intelligente weiße US-Bürger zwar überwiegend differenzierten und angaben, dass niemand auf Grund der Hautfarbe benachteiligt werden dürfe, sie aber praktische Ansätze zum Abbau struktureller Diskriminierung mindestens ebenso wenig unterstützten wie weniger intelligente Menschen. Ob ähnliche Ergebnisse sich bei einer Untersuchung in Deutschland reproduzieren ließen, ist spekulativ, erscheint in diesem Zusammenhang aber nicht vollkommen abwegig.
Hilfsbereitschaft nach Belieben
Der Mechanismus ist ähnlich dem, der sichtbar wird, wenn über höhere steuerliche Belastungen für Wohlhabende diskutiert wird. Nicht selten wird in deren Gegenwehr dann argumentiert, dass man selbst ja reichlich Geld für wohltätige Zwecke spende.
Der Subtext: „Ich möchte mir aussuchen, wer von meinem Geld profitieren darf“. Mit Solidarität hat das wenig zu tun, denn unterstützt werden nur ausgewählte Organisationen. (Sehr schön sichtbar am Beispiel der Initiative „Giving Pledge“ von Ted Turner, Warren Buffet und Bill Gates: hier, hier und zu den Konsequenzen des Engagements der Bill & Melinda Gates Foundation für geförderte journalistische Projekte hier)
Bleibt zu hoffen, dass unter den Bad Sodenern auch viele sind, die wie Renate Richter denken.
Alle Links auf einen Blick:
Weil Fremdenfeindlichkeit kein Problem des sozialen Umfelds ist: Reich und mitleidlos – Die gehören doch gar nicht hierher (Kraftfuttermischwerk)
Reich und mitleidlos – Die gehören doch gar nicht hierher (rbb – Kontraste)
„Ausländerkriminalität“ – statistische Daten und soziale Wirklichkeit (bpb)
Nichts ist normal in Hellersdorf (taz)
Asylbewerber sollen mehr Geld bekommen (Zeit)
Smart Enough to Know Better: Intelligence Is Not a Remedy for Racism (Science Daily)
„Deutschland ist auf dem Niveau einer Steueroase“ (Handelsblatt)
Nein, danke! (der Freitag)
Behind the scenes with the Gates Foundation’s ’strategic media partners‘ (Humanosphere)