Es ist nicht leicht mit der deutschen Sprache. Rechtschreibreform. „Fräulein“ abgeschafft. Ein all- bzw. sprachumspannendes Netz aus Anglizismen. Keiner benutzt mehr das gute alte™ Sprachgut, Worte wie gebumfiedelt und Hagestolz zum Beispiel. Seit Jahren warten die Einen auf Tastaturen in Schwabacher Schrift, während die Anderen sich dem Sprachverfall qua SMS-Austausch freiwillig hingeben. Und jetzt auch noch Minderheiten, die die Umbenennung eines Schnitzelgerichtes fordern. Das haben wir jetzt von der Globalisierung (oder irgendeiner anderen beliebigen Verschwörung).
Eine kurze, nicht-repräsentative Umfrage in einem Leipziger Restaurant hat meine Ausgangsthese allerdings entkräftet: Schnitzel mit Paprikasoße ist nicht des Volkes liebste Hausmannskost (kleiner Tipp am Rande, liebes BILD-Marketingteam: da lässt sich noch ein großer Coup landen). Ein Anstieg der Zahl der Protestessenden in den nächsten Wochen ist jedoch nicht auszuschließen. Anders als das beliebte Protestwählen ist das Protestessen jedoch, zumindest für Mitmenschen mit akuter Paprikaunverträglichkeit, im Ernstfall unmittelbar gesundheitsgefährdend.
Genug der Witze. Erschreckend finde ich, dass, wie schon zuletzt bei der Kinderbuchdebatte, manchmal auch Autoren unter denjenigen sind, die jetzt wie die Axt im Walde herumfleischhauern, die sonst sehr aufgeklärt schreiben und sich oft in Kontexten engagieren, die dem Abbau von Diskriminierung dienen sollen. Sehr oft erfolgen Abwehrreaktionen auch unter einem Hinweis darauf, dass es schließlich wichtigere Dinge gäbe. Leider ist es häufig so, dass ausgerechnet Initiativen, die von Angehörigen diskriminierter Minderheiten selbst ausgehen, auf solchen Gegenwind stoßen. Eben diejenigen, denen lange verwehrt blieb und bleibt, ihre Forderungen öffentlichkeitswirksam zu artikulieren (erkennbar auch daran, dass ich über sehr begrenztes Wissen bezüglich einer Roma-Blogospäre verfüge – Lesetipps aller Art nehme ich dankend entgegen).
Dabei berücksichtigen viele nicht, dass Sprache Distanz schaffen kann, zwischen „denen“ und „uns“. Oder dass auf diese Weise auch eine Homogenisierung erfolgt, die auf Roma und Sinti genauso wenig zutrifft wie auf andere Gruppen, die oft seit Jahrhunderten systematischer Diskriminierung ausgesetzt sind. Zu beobachten ist dieser Mechanismus in der generalisierenden Diffamierung von Hartz-IV-Empfängern ebenso wie in der aktuellen Debatte um Flüchtlinge (mit Unterstützung durch eine Reihe von Bundespolitikern und deutschsprachigen Medien), die – schaut man sich Reportagen oder einfach die Kommentarspalte einer x-beliebigen Facebook-Page an – in der Regel, so scheint es, als wirtschaftsflüchtende Salafisten wahrgenommen werden. Und genau da liegt eins von vielen Problemen in der Zuschreibung von Begriffen. Nicht nur, dass große oder mehrere Gruppen zu einer diffusen Masse zusammengefasst werden, negative Eigenschaften werden Dank der aktuellen (lange Zeit bestehenden) Konnotation des Begriffes gleich mitgeliefert.
Zuletzt gab es einige sehr informative Texte zum Thema Paprikaschnitzel, die ich an dieser Stelle gern sammeln würde (Achtung: teils diskriminierende Sprache). Sollte ich einen Link unterschlagen haben, schickt mir gern Hinweise, damit ich die Liste ergänzen kann:
Lustig ist das Rassistenleben, Faria, Faria, Ho (Anatol Stefanowitsch, Sprachlog)
Meine Suppe ess‘ ich nicht unter anderem Namen (Anatol Stefanowitsch, Sprachlog)
Missionarskopf im Brötchen (Daniel Bax, taz)
Es gibt keine „Sprachpolizei“ (Lalon Sander, taz)
Und zum Thema Stimmungsmache gegen Roma und Sinti:
Brandstiftung in Duisburg-Hochheide – Gedanken an Lichtenhagen (Viruletta, Mädchenmannschaft)