Demokratie allein garantiert eben noch keinen zivilen Fortschritt.
.. sinniert Malte Lehming heute morgen im Tagesspiegel. Bei so viel Polemik bleibt kaum Zeit für den ersten Kaffee. Eine Replik.
Unsere „Frühwarnsysteme“ seien kaputt, so Lehming, Europa stünde vor einer Einwanderungswelle arabischer, afrikanischer und – man möchte den Gedanken fortführen – anderer Flüchtlinge aus überhaupt der ganzen Welt. Die Lektüre des Artikels erinnert an die alte „Das Boot ist voll“-Argumentation, ohne explizit auf ebendieses Bild zurückzugreifen. „Und in Europa sind seit Schengen die Grenzen zwischen Warschau und Lissabon offen. Ein Gaddafi ließ sich mit Millionenbeträgen bestechen, um Ruhe zu haben vor den Unruhigen. Doch so einfach und billig ist es künftig nicht mehr.“ poltert er, und erweckt den Eindruck Europas Grenzen stünden weit offen. Das wirkt zynisch, betrachtet man die Kompetenzen und Rechte, unter denen Frontex agiert und, bezogen auf Deutschland, die kürzliche Abschiebung syrischer Flüchtlinge nach Budapest. Ja, es war in gewissem Sinne bequem, Gaddafi als Verbündeten zu haben, aber „billig“ war es ganz sicher nicht, bedenkt man, dass Gaddafi Flüchtlinge aus dem Subsaharischen Afrika gern als Druckmittel nutzte, um seine politischen Interessen zu verfolgen. Ganz zu schweigen von der desolaten Lage zehntausender Flüchtlinge in Lagern in der libyischen Wüste, geduldet und gefördert durch europäische Nationen.
Demokratie „muss begleitet sein von Gewaltenteilung, Freiheitsrechten, Liberalität“, erklärt Lehming. In Bezugnahme auf Europa kann er ja maximal von innenpolitischen Verhältnissen reden. Angesichts enorm beunruhigender Zahlen zur Kinderarmut, einer rassistisch motivierten Mordserie aus dem rechten Untergrund und weit verbreitetem mehr oder weniger offenem Rassismus und Antisemitismus in Deutschland möchte man dennoch ungläubig die Hände über dem Kopf zusammenschlagen über Lehmings Eurozentrismus und zivilisatorischen Anspruch.